Montagmorgen
Heidelberg, 24.06.2019
Es ist schon wieder ein Montagmorgen.
Ich liege in meinem Bett und arbeite nicht.
Ich liege in meinem Bett und arbeite nicht.
Ja, normale Leute arbeiten jetzt.
Sie fahren LKW oder therapieren
Leute oder beschleifen Zähne oder oder oder.
Nur ich liege in
meinem Bett und arbeite nicht.
Weil ich nicht kann?
Weil ich nicht will?
Weil es nicht geht?
Peter ruft an.
Ein Auftraggeber.
Was? Wieso? Niemals
rangehen!
Furchtbar, so ein
Montagmorgen ohne Arbeit.
Noch schlimmer, wenn
das Konto im Minus ist.
Zum ersten Mal in meinem Leben.
Tja. Was also machen?
Erstmal Panik
bekommen, ganz genau.
Zum Glück hat ja Peter
angerufen.
Also zurückrufen.
Einen Preis soll ich
nennen für eine Arbeit.
Schnell was gesagt,
zu wenig, aber es soll viel kommen, viel Arbeit, und viel Arbeit für etwas
weniger Geld ergibt auch viel Geld.
Und Arbeit macht
glücklich und Geld macht sorgenfrei.
Aber das kommt eh
nicht, so viel Arbeit.
Das kommt nie.
Also: Schnell eine
Rechnung schreiben.
Das einkassieren, was
man hat.
Schnell alles
mitnehmen, bevor wieder die große Dürre und die große rote Zahl kommt.
Und dann:
Eine eigene Website!
Schnell mal schauen,
was es so gibt.
Muss cool sein.
Spannend, einzigartig, wir kennen die
Werberadjektive.
Das ist immer eine
gute Idee, die Seiten von anderen Werbetextern anzuschauen: Man fühlt sich
sofort entweder angeödet oder hoffnungslos. Das
schaffe ich nie! Auf einer richtig ekelhaften Corporate-Seite eines Texters (elbcontent.de) finde ich einen
richtig ekelhaften Texter, der in meinen panischen Augen alles richtig macht:
Er verkauft sich.
Seine eigene Firma!
Ein charmanter,
persönlicher Text über seinen Werdegang!
Blogs, SEO, XING!
Richtig ekelhaft…
Muss ich mich auch so
prostituieren??
Full of Despair.
Zum Glück kommt in
diesem Moment Steve zum Zimmer herein.
Ich erzähle ihm von
meiner Panik. Von meinem grausamen Montagmorgen.
Er ist Deutschlehrer,
muss morgens raus, kann arbeiten, kann mit Leuten sprechen – und hat den
Nachmittag frei. Ein Traum. Ein Traum? Hier in Heidelberg könnte er wahr
werden… ich müsste ja nur fragen…
In Hamburg nicht?
Doch. Aber das Problem: Hamburg ist real.
Heidelberg ist fiktiv. Zumindest noch.
Und in der Fiktion lebt
es sich nun mal leichter.
Ohne roten
Kontostand.
Ohne eklige
Werbetexterkonkurrenz.
Ohne schwere
Gedanken.
Dann muss Steve
zurück zur Schule, und ich bleibe wieder mit meinen depressiven Gedanken alleine
im Zimmer.
„Werde aktiv!“ ist immer das beste
Mittel gegen Depressionen. Und die bekommt man, wenn man den ganzen Tag
herumliegt und sich Gedanken über die Welt macht, ohne sie zu sehen.
Also entschließe ich mich schnell dazu, auch
etwas Arbeitermäßiges zu tun: Ich verlasse die Wohnung.
Das fühlt sich schon
mal besser an.
Mit jedem Schritt
wächst meine Produktionslust und mein Tatendrang. Also ziehe ich (schwächere
Autoren würden das Verb „fischen“ verwenden) mein Handy aus der Tasche und
sende einen WhatsClœb ab. Wird nicht
mein bester Clœb, aber der gesamte Clœb ist eigentlich auch nur Mittel zum
Zweck: Einfach viel rausballern, dann geht es mir besser (Ich habe früher schon
mal meinen Stuhlgangdrang mit meinem Schreibdrang verglichen – aber dazu später
mehr).
Jedenfalls fühle ich
mich jetzt schon weniger depressiv. Ich erinnere mich, dass ich ja bald eine
Prüfung als Chinesischlehrer habe, und ich eigentlich auf dem besten Weg bin,
mir meine Vorstellung von einem schönen Leben zu erfüllen:
Ein bisschen unterrichten,
ein bisschen Texten, und viel Kunst machen.
Not so Full of Despair
Beim Stichwort “Kunst”
fällt mir ein, dass ich glücklicherweise ein Buch mitgenommen habe. Es ist das
Buch eines großartigen Autors: John Fante.
Er ist deshalb so großartig, weil er über das Schreiben schreibt: und zwar in
seinen Full of Despair-Zeiten als beginnender
Schriftsteller.
Auch er hat kein Geld
(gut – natürlich war er wirklich arm,
während ich eben typisch „mittelklassenarm“ bin / Angst vor Verlustängsten habe)
und auch er kommt sich gegenüber „den großen“ Schriftstellern (in meinem Fall:
Werbetextern) klein und mickrig vor. Und was macht er dagegen? Er schreibt.
Und ich auch.
Also hole ich mein MacBook Air heraus und tippe diesen Text
(ja, das ist echt widerlich, wie ich
hier auf der Parkbank sitze und einen Text schreibe) – mit der Intension, ihn
auf jeden Fall zu veröffentlichen, damit ihr auch einen charmanten,
persönlichen Text über meinen Werdegang als Texter lesen könnt.
Full of Delight
Und ja, was soll ich
sagen?
Es ist ein tolles
Gefühl, wenn der Tatendrang zum Tastentanz (bitte
für euren nächsten Poetry Slam klauen!) führt und ich am Ende wieder etwas geleistet habe. Denn – und jetzt zitiere
ich am Ende noch einen weiteren, tollen Schriftsteller – ihr wisst ja:
Es gibt nichts Gutes – außer man tut es.
Bis bald,
Frank Freelance
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