Nichtstun ist nicht nichts tun: die Arbeit als Arbeitsloser
Nichtstun
ist nicht nichts tun
Jetzt
ist es endlich “offiziell”: Ich bin arbeitslos.
Die
gute Nachricht:
Ich
lebe noch.
Die
schlechte Nachricht:
Ich
lebe noch.
Denn das heißt jetzt nicht, dass ich
einfach so unbeschwert in den Tag lebe. Nein, meine Freunde, seitdem ich
arbeitslos bin, bohrt sich eine Stimme in meinen Schädel, die mir die ganze
schöne Zeit verdirbt. Mein innerer Motivationscoach macht mir das süße
Arbeitslosenleben zur Hölle. Dabei hab ich mir doch alles so schön vorgestellt:
Einfach mal den Bimbam baumeln
lassen, bis um 13 Uhr schlafen und dann die ganze Zeit nur Warcraft
II-Let’s Plays anzuschauen. Hartz 4 und der Tag gehört dir.
Aber nein! Jetzt stelle ich mir sogar
den Wecker auf 8.30 Uhr, damit ich einen geregelten Tagesablauf habe.
Ich suche mir Aufgaben, die ich erledigen kann. Anstatt einfach nur faul
herumzuliegen, geistern mir die ganze Zeit Aufgaben im Kopf umher. Bin ich
krank? Oder woher kommen diese Stimmen in meinem Kopf?
“Schreib Bewerbungen! Mach deine Mappe
fertig! Schreib Rechnungen! Mach jetzt endlich deine Kunstprojekte, für die du
doch frei genommen hast! Sei kreativ! Gib die Dokumente beim Amt ab! Mach
Sport! Spare! Sei produktiv! Schicke “Jamba Spar Abo” an die 66555!”
Oh, das letzte hab ich aus dem
Fernseher. Aber der Rest findet tatsächlich in meinem Kopf statt. Es ist
zum Brechen. Und damit meine ich: Es ist zum Kotzen! Mein innerer
Motivationscoach macht mir meine Couch so unbequem, wie es nichtmal meine
Nachbarn mit ihrem Schlagbohrer hinbekommen könnten.
Aber woher kommt diese Stimme, die mich
antreibt? Es wird kaum überraschend sein, dass sie von meinen Eltern kommt –
hauptsächlich von meinem Vater: “Erscht die Arbeit, dann des Vergnüga” (mein
Vater ist natürlich Schwabe). Und sie kommt von meinem Versicherungsmakler. Und
von meiner Personalchefin. Von der Zeitung. Den Medien. Der
Leistungsgesellschaft. Und – natürlich – vom Arbeitsamt.
Zum Glück gesellt sich zu diesem
Motivationsarschloch auch noch eine weitere nette Stimme. Nennen wir sie mal
die Finanzfotze. Obwohl – das ist natürlich kein schönes Wort. Naja gut,
nennen wir sie “den Pleitegeier”. Der Pleitegeier kreist natürlich auch
ständig in meinem Kopf, seitdem ich arbeitslos bin (und eigentlich schon
seitdem ich damit liebäugele, arbeitslos zu werden). Er kreist dann, wenn ich
auf meinen Kontostand schaue oder Leute sehe, die teure Autos haben oder
einfach nur reich aussehen. Er kreist dann, wenn sich bestimmte
“Freunde” von mir auf WhatsApp melden, und mir unter die Nase reiben, wie viel
sie von der Steuer zurückbekommen haben.
Manchmal kommt es mir auch so vor, als
würde mein Motivationscoach auf meinem Pleitegeier reiten, und sie
würden gemeinsam ihr Unwesen in den Unweiten meines Kopfes treiben (so wie die
Ringgeister auf ihren Flügeldrachen oder John “Schnee” auf diesem Dragon).
So wie heute Nachmittag, als ich mich
darüber gefreut habe, dass ich nicht an meinem Schreibtisch versauern muss,
sondern die Sonne und den frischen Wind genießen kann. Dann hat nämlich der
Motivationscoach gesagt: “Andere Leute arbeiten jetzt, und du glotzt in die
Sonne?!”, Woraufhin mein Pleitegeier fröhlich mit eingestimmt hat: “Ja,
du Penner! (er ist ziemlich unfreundlich) Du hättest heute hunderte von
Euros verdienen können, aber du starrst in die Sonne?! DAS GELD FLIEGT NICHT
VOM HIMMEL, mein Lieber!”
Tja. Was habe ich also gemacht, um
Pleitegeier und Motivationscoach fernzuhalten? Genau, ich bin shoppen
gegangen. Peter Zwegat, here we come. Also gleich mal
auf Amazon das hunderttausendste Gitarrenzubehör gekauft und den
zehntausendsten Roman bestellt. Lese ich eh nicht, und Gitarrenzbehör habe ich
schon wie Sand am Meer, aber dann habe ich immerhin mal etwas getan, um den
Meckercoach ruhig zu stellen (Shoppen ist auch eine Aktivität!), und
auch der Pleitegeier hat plötzlich nicht mehr so stark gegeiert, als er gesehen
hat, dass ich ja noch auf einem kleinen Häufchen Erspartem sitze. Und weil ich
dann voller Tatendrang war, habe ich mich gleich wieder auf meine Couch gelegt
– und einfach mal nichts gemacht.
Das war geil. Und dabei ist mir eines
bewusst geworden: Nichtstun ist verdammt schwer. Aber ich brauche es, wir
brauchen es, um einfach mal wieder runterzukommen. Und um danach noch mehr tun
zu können. Paradox? Vielleicht. Ist aber so: Ohne Pause gehen wir auf dem
Zahnfleisch. Langeweile fördert die Kreativität. Und die besten Erfindungen
entstehen aus Faulheit. Oder glaubt ihr, die Fernbedienung hätte jemand erfunden,
der sich die ganze Zeit zum Fernseher bewegen wollte?
Also macht es einfach mal wie ich: Macht
nichts! Legt euer Smartphone weg! Hört gefälligst auf, diesen Text zu
lesen! Legt euch einfach mal auf eure Couch und starrt die Decke an. Wie lange
schafft ihr das? Hoffentlich länger als ich. Bei mir waren das nur ein paar
Sekunden. Oder denkt ihr etwa, dass sich dieser Text von alleine geschrieben hat? Natürlich nicht. Das war harte Arbeit. Und auch eine Offenbarung:
Ich bin jetzt arbeitslos – und das heißt, ich kann endlich das tun, was mir am liebsten gefällt: arbeiten.
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